Feuer im Bauch – mehr Ausgeglichenheit im sommerlichen Auf und Ab

Hindernisse auf dem Yogaweg, Teil 2: Anhänge

Wenn ich so aus dem Fenster schaue, muss ich feststellen, dass im Sommer irgendwie alles möglich ist: zwischen unerträglicher Hitze bis zur nassen Kälte scheint das Spektrum des Wetters noch lange nicht ausgeschöpft. Am unglaublichsten finde ich ja auch das Tempo der Veränderungen: Kaum setze ich mich in den lauen Sommerabend, brausen schon die Gewitterwolken – ich möchte sagen in Lichtgeschwindigkeit (!) – heran und ich muss mich beeilen, noch trockenen Hauptes und Fußes die Sitzkissen ins Haus zu retten. Gemütlich ist das nicht. Und da bin ich auch schon wieder mitten im yogischen (Er-)Leben. Etwas mehr Beständigkeit wäre schön, im Wetter wie im Leben. Warum bleibt nur dieser schöne, laue Sommerabend nicht? Diese Frage erinnert im Grunde an den Schreckmoment des Prinzen Siddharta, der aus dem Schutz seines königlichen Palastes auszog, um Buddha zu werden und zu erkennen, dass es drei unvermeidbare Leiden im Leben gibt; das Alter, die Krankheit und die Armut. Warum ist es nicht immerwährend schön und leicht und gut wie in seinem königlichen Heim? Das Leben zu begehen, wie ein eigenes Haus, das jeden Tag gepflegt, gereinigt und in Ordnung gehalten wird, ist ein Ansatz, der unermüdliches Bemühen erfordert, einen Status quo zu erhalten, der aus den eigenen Vorstellungen von Heim entspringt. Fängt der Putz an zu bröckeln, müssen wir ihn ausbessern, und alles ist wieder gut. Es liegt aber in der Natur der Dinge, dass alles im Fluss ist, wie Heraklit bereits in der Antike mit seiner Aussage panta rhei (= alles fließt) verkündete. In seiner Flusslehre formuliert Heraklit aber schließlich nur, was schon da war. Und auch Buddha erkannte nur, was schon da war. Wenn Buddha von der Unvermeidbarkeit der Armut sprach, so meinte er nicht das Elend, das aus dem Tun der Menschen aus Nachlässigkeit, Trägheit oder Verachtung entsteht. Er meinte vielmehr das Nicht-Erkennen (Wollen) der Beschaffenheit der Dinge des Lebens. Und hier sagt Patanjali in den Yoga Sutras auch nichts anderes:  Die Ursache allen Leids ist avidya, das Nicht-Wissen, das Nicht-Erkennen. Also, Haus vs. Fluss, wer gewinnt?

Da kommt mir dieser alte Spruch in den Sinn: Mach es wie die Sonnenuhr, zähl die heit’ren Stunden nur. Wenn ich das mal kurz durchspielen darf: Wie viel eines Lebens (in Minuten, Stunden,Tagen …) würde da übrig bleiben? Und dann müsste ich vielleicht auch definieren: Wie heiter ist heiter? Und: Heiter können auch die Mondstunden sein, oder nicht? Eine Skala von 1-5 ist da hilfreich, oder doch 1-10, alles eine Definitionsfrage! Ja, da beginnt das Feilschen um die Beständigkeit, um das Verweilen in der Komfortzone, um das eigene, schön eingerichtete Haus. Es geht im Sinne Heraklits, Buddhas und Patanjalis keineswegs um ein sowohl als auch: Ich kann nicht im Haus sitzen und den Fluss des Lebens betrachten, ich kann nicht immer noch etwas dazu addieren, alles mit Hineinnehmen und mich vollstopfen mit noch mehr Konzepten, Ansichten, Erklärungen, um ja nicht … ja was? Heraklit formuliert es deutlich: Wer in denselben Fluss steigt, dem fließt anderes und wieder anderes zu. Ich muss schon einsteigen, damit ich mitfahren kann. Ich muss also aus dem Komfortbereich heraustreten, um zu verstehen, dass ich eigentlich schon längst im Fluss bin. Ich war ja schon immer im Fluss, und alles was ich getan habe, fließt mir ja bereits zu. Erkennen ist nicht gemütlich, aber es macht frei! In diesem Freiraum kann dann wieder etwas entstehen, wachsen, fließen. Das ist die wahre Freude am Sein, das Leben wachsen zu sehen, sowohl in den Sonnen- wie in den Mondstunden. Denn alles ist schon da, bevor wir es denken. Und jetzt kommt nicht: Leichter gesagt als getan, oh nein. Jetzt kommt: Erkennen beginnt im Yoga mit dem Üben, mit jeder Asana, kannst du erkennen, dass die Kniescheiben schon dein Leben lang da waren und dass du es bist, der sie kraftvoll ansaugt, um die Oberschenkelmuskulatur fest zu machen. War noch nie anders, aber jetzt erkennst du es! Und dann können die Energien fließen. Eben dieser energetische Fluss des Körpers wird das Thema im 2. Halbjahr dieses Jahres bei manas & prana Hatha Yoga Taunus sein. Am Samstag, den 19. Juli 2014 von 10-13 Uhr starten wir mit dem nächsten Themenworkshop Energetisches Üben: Harmonisierung des Verdauungsfeuers Agni. Denn was gibt es Schöneres als den steten, ausgeglichenen Fluss der Sonnen- und Mondenergien vor allem im Bauch, dann ist der Rest ein Leichtes, dann saugt sich die Kniescheibe fast wie von alleine und wir können uns Treiben lassen in der beständigen Veränderung des Seins.