Wie kann man da entspannen? Große Fragen im Yoga

Ganz großes Yoga

Wenn die Sonne scheint, ist der Sommer schön. Ganz ehrlich, dann ist eigentlich alles schön oder jedenfalls nicht ganz so schlimm. Das ist ein interessantes Phänomen, das im Grunde für alles im Leben gilt: Wenn da Licht ist, kann es ja nicht mehr dunkel sein! Diese Feststellung trägt mich weiter zu unzähligen noch darzulegenden Gedanken, die ich gerade noch sortiere, während ich ein gutes Beispiel aus dem Arbeitsalltag einer Yogalehrerin bringe, sozusagen als Anschauungsmaterial. Kürzlich rief eine Schülerin in einer körperlich recht fordernden Übungssequenz aus: Wie kann man denn da entspannen!? Wie so oft bei den wirklich großen Fragen im Yoga ging mir folgendes durch den Kopf: Eine Frage, unzählige Antwortmöglichkeiten, aber welche ist die richtige? Oder vielmehr: Welche Antwort ist für diesen äußeren Moment und diesen Menschen in seiner persönlichen Situation die am ehesten nützliche? Gar nicht so einfach, denn die Frage hat im Kern ja schon recht; wie geht das eigentlich mit dem Entspannen? Bei dieser Antwort ist es gar nicht so leicht, Licht ins Dunkel zu bringen, denn unsere Welt ist nach der Yoga Philosophie dual und in dieser Dualität immer beides: Entspannung ist leicht und schwer zugleich. Entspannung ist grundsätzlich immer sehr gut möglich, wenn der Mensch einen Zugang zu seinen Bedürfnissen, seinen inneren Kraftquellen, zu seinem Selbst hat. Aber wer hat das schon?! Für die meisten Menschen gibt es eine Vorstellung von Entspannung (z. B. auf dem Sofa liegen und Fernsehen) oder Nicht-Entspannung (z. B. Arbeit), aber ist es das wirklich? Ja und nein.


Patañjali gibt uns Aufschluss; jedenfalls im Hinblick auf Yoga. Die Sutras II.46 und II.47 erklären, wie das geht: Ist die Asana (Haltung) fest und angenehm, so entsteht beides; die Entspannung in der Anstrengung und das In-eins-Fallen mit dem Unendlichen. Alles klar?! Hmm … eines war einem Patañjali auch vor nunmehr 2000 Jahren vollkommen klar: Entspannung kommt nicht pfeifend daher und richtet sich häuslich in Körper und Geist ein. Das weiß die moderne Wissenschaft nur zu gut, dass es viele verschiedene Hormone im Körper eines Menschen gibt, die verschiedene Formen der Entspannung bewirken. Entspannung hat nämlich viele Gesichter. Jeder Yoga Übende weiß das, wenn er denn übt! Je nach Schwerpunkt einer Übungssequenz – ob Rückbeugen, Drehhaltungen, Vorbeugen etc. – ist die Wirkung des Übens anders, aber sie ist Entspannung. Nicht ohne Grund ist Shavasana (Endentspannung) wohl das erste Sanskrit Wort, das sich jeder Yoga Übende merken kann. Es ist eben die Anstrengung im Yoga, von der Patañjali spricht, die wir mit jedem Bewegungsimpuls, jeder Konzentration, jedem bewussten Atemzug in einer fordernden Haltung eingehen müssen, um entspannen zu können. Mit dieser Anstrengung bringen wir Licht in die dunklen Ecken unseres Körpers und unseres Geistes und lernen uns Stück für Stück besser kennen. Wenn wir uns also um uns selbst bemühen, dann, erst dann, legt sich uns alles frei, was wir brauchen. Und was brauchen wir? Tja, das ist eine weitere große Frage im Yoga… Am Ende jeder Übungssequenz ist es immer mehr als nur die Summe ihrer Bestandteile: Das ist In-eins-Fallen mit dem Unendlichen. Dieses In-eins-Fallen zuerst mit sich und dann der Welt ist ein großes Vorhaben, das Zeit und Übung erfordert. Der eine schafft es in diesem Leben, der andere im nächsten. Wer das weiß, kann sich entspannt zurücklehnen und zuversichtlich in das Jetzt blicken. Es gibt keine Eile, nur Übung.